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Univ.-Prof. Dr. Robert Muth

Nachname:
Muth
Vorname:
Robert
geboren:
1916-01-01
Zugehörigkeit:
NordtirolerIn
letze Änderung:
Wed Nov 04 13:58:24 UTC 2020
Biographie
Am 1. Jänner 1916 beginnt in Innsbruck das ereignisreiche Leben des Univ.-Professors Mag. Dr. Robert Muth. Durchaus ein Tiroler, aber mit böhmisch-sächsischen Wurzeln auch ein typischer Österreicher des einstigen Vielvölkerstaates. Der Großvater väterlicherseits ist ein aus Leipzig eingewanderter Glaser. In der weitum bekannten Innsbrucker Glasmalereianstalt in der Müllerstraße will er sich ausbilden lassen, zu guter Letzt zieht es ihn nicht mehr heim nach Sachsen. Er hat "eine Höttingerin kennen und lieben gelernt" - eine Frau aus Hötting, seinerzeit das größte Dorf Österreichs, heute ein Stadtteil Innsbrucks. In die Glasmalerei wird der Großvater auch in der Pension immer wieder geholt, etwa für spezielle Kirchenfenster, "weil er eben der Beste war." Roberts Vater kommt in Innsbruck zur Welt, allerdings noch als deutscher Staatsbürger. Später sagt er, die Übernahme der Österreichischen Staatsbürgerschaft beim Statthalter in der Herrengasse sei für ihn ein großes Erlebnis gewesen. Er besitzt noch Zeugnisse, in denen der Vater trotz seiner Geburtsstadt als Sachse eingetragen steht. Aber war Österreicher, von Beruf Vermessungsbeamter, er wurde Hofrat, Kaiserschütze und Offizier.Der Großvater mütterlicherseits, wie Roberts Vater ebenfalls Geometer, stammt aus Böhmen. Seine Tochter Anna Wieser wurde in der nordböhmischen Stadt Saaz geboren. Derselbe Beruf führt die Männer zusammen, und so ergibt eines das andere. Die Verlobung feiern die jungen Leute am 28. Juni 1914. Es ist dieser schicksalsschwere Sonntag, an dem plötzlich von allen Kirchtürmen ein nie gehörtes Sterbegeläut erschallt: Österreich-Ungarns Thronfolger Kronprinz Franz Ferdinand und dessen Gattin sind im serbischen Sarajewo ermordet worden! Umsichtig denkt der Kaiserschütze Muth sofort an Einberufung und Krieg. Ohne Zögern wird schnell geheiratet, und am ersten Tag des Kriegsjahres 1916 kommt Robert auf die Welt.An Kriegserlebnisse erinnert er sich vor allem an einen Brand hinter den Bahngleisen. Er besucht den Kindergarten im Stadtteil Wilten nahe der Bahn, den Pechegarten. Offenbar brennt eine Fabrik,"ein riesiges Feuer" für die Kinder, wobei das Entsetzen der Kindergartenschwestern den Schreck ihrer Schützlinge verstärkt. Ein kaum fassbares Unglück widerfährt Robert im siebten Lebensjahr: Die Mutter stirbt an Typhus. Später heiratet der Vater wieder, die Ziehmutter ist "ganz lieb", aber es fehlt natürlich die Mutter-Sohn-Verbindung. Der Vater steigt ja als Vermessungsbeamter viel in den Bergen herum. Sein Sohn ist sportlich nicht begabt, was ihn schon ein bisschen enttäuscht. Tatsächlich scheint die Erziehung mehr oder minder außerhalb der Familie vor sich gegangen zu sein. In die Volksschule geht Robert gern. Von der ersten bis zur fünften Klasse von demselben guten Lehrer betreut, genießt er auch den eindrucksvollen Religionsunterricht des berühmten Priesters Bruder Willram. Insgesamt sind das "die besten Voraussetzungen für eine gute Vorbereitung aufs Gymnasium. "Im Akademischen Gymnasium tritt Robert Muth der Marianischen Kongregation bei, wobei die Anfänge der Jugendarbeit des Jesuitenordens in Innsbruck bereits seit Ende des 16. Jahrhunderts bestanden. "Und da habe ich halt dann Funktionen übernommen .." für Hunderte von Studenten. "Eine richtige Lehrstube für den Beruf" weckt sie den Berufswunsch zum Gymnasialprofessor. Robert Muth maturiert 1935 mit Auszeichnung und inskribiert auf der Universität Latein und Griechisch. Das Studium wird gefördert, weil er freiwillig in der politischen Gemeinschaft "Vaterländische Front" mitwirkt. In eine Zivil- und eine Wehrfront gegliedert, an sich keine Massenbewegung, mit Kurt Schuschnigg ab März 1936 genau zwei Jahre lang als Bundesführer. Muth erhält einen höheren Posten in Stadtteil Wilten. Außerdem geht er eine CV-Verbindung ein, Leopoldina genannt, eine Verbindung christlicher Studenten. "Dann kam der böse März 1938."Robert Muth überlegt, ob er auf Jus umsatteln soll, weil er nicht der Partei beitreten will. Im dritten Studienjahr zu unterbrechen? Er bleibt dabei und promoviert am 15. Juli 1939. Die letzte Promotion vor dem Krieg! Die späteren Doktoren brauchten einfach ihr Diplom beim Rektor abzuholen. Es gibt bis nach dem Krieg keine Promotion. Das Lehramt beginnt wie üblich später, im Feber 1940. Zunächst folgt eine Art Probejahr, damals noch in Wien. Ab dem 1. Oktober 1940 unterrichtet Robert Muth in Wien. Nebenbei muss er durch eigene Pauker eine intensive nationalsozialistische Erziehung über sich ergehen lassen, die aber an ihm verschwendet ist. Von Anfang an als Lehrer eingesetzt, und zwar in der ehemaligen Neulandschule des Bundes Neuland, eines katholischen Bundes. In der Schulsiedlung werden nun Kriegsversehrte möglichst rasch für den nächsten Einsatz gesundgepflegt und die Schüler auf verschiedene Schulen verteilt. Eine dieser Klassen im 19. Wiener Bezirk hat nun "Studienreferendar" Muth völlig unvorbereitet als Klassenvorstand und Lehrer zu übernehmen. Doch das neue Amt bereitet ihm Freude, im nächsten Herbst wird er "sogar zum Erzieher für Internatsschüler bestellt."Im Feber 1941 jedoch erfasst ihn die Einberufung nach Innsbruck in die Conradkaserne. Er soll Funker werden. Die Ausbildung dazu wird unterbrochen, weil er in Wien die sogenannte Assistentenprüfung ablegen muss, um Studienassistent zu werden. Bis dahin versehen mit dem "schönen Titel Studienreferendar", ein deutscher Titel. Man befindet sich jetzt ja in der Ostmark im deutschen Reich. Nach bestandener Prüfung kommt Muth beim Kurs fürs Funken nicht mehr mit. Außerdem ist er nur "garnisonsverwendungsfähig", Herz und Kreislauf sind nicht kriegstauglich. Er gerät in die Heeresentlassungsstelle. Dort bekommen Soldaten, die verletzt oder "anderswie wehrunfähig" sind, ihre Entlassung. Dabei hat Muth eine entscheidende Rolle gespielt, wohl nicht ganz im Sinn des NS-Regimes. Bis er an schwerer Diphtherie erkrankt und selber für etwa drei Monate ins Lazarett muss. Am Ende erhält er ein derart katastrophales Gutachten, dass sogar er am 10. August 1944 entlassen wird. Fast ein Jahr vor Kriegsende, und was das bedeuten sollte, vermag sich selbst der bewanderte Studienassistent kaum vorzustellen.Von Wien verabschiedet er sich mit dem Erlass in der Tasche, er wird als Studienreferendar zunächst nach Innsbruck versetzt. Dort soll er sich bei der Schulbehörde melden. Er geht in Uniform hin, im Vertrauen darauf, dass der Vertreter des Landesschulrats früher sein Geschichtslehrer war. Doch der Professor fertigt ihn ab. Er sei erstens CVer bei der Leopoldina, habe sich zweitens der Partei verweigert und drittens ist er weder dem NS-Dozentenbund, noch dem Lehrerbund beigetreten. "Sie werden in Tirol keine einzige Stunde unterrichten, dafür werde ich sorgen. Sondern Sie werden nach dem Siege versetzt in den ferne eroberten Osten." Beiden Vereinen, ob es nun der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund oder der NS-Lehrerbund war, konnten aufstrebende Hochschullehrer oder Erzieher schlecht ablehnen. Muth wehrte sich bereits in Wien gegen die weltanschaulich-politische Ausbildung. Er betrachtet es nicht als seine Aufgabe, die nationalsozialistische Weltanschauung zur Grundlage des Schulwesens zu gestalten. Mehr über weitere Ent- und Verwicklungen offenbaren die Videoclips "Kriegsausgang unklar" und "Habilitation im Kerzenlicht". Dr. phil. habil. Robert Muth! Die Habilitation wird als ein über den Doktorgrad hinausgehender Qualifikationsschritt betrachtet.Und im Jahr 1945 "diese herrlichen Tage der Befreiung!" Unter anderem entsteht mit Mitgliedern der Widerstandsbewegung unter Ernst Molden der Plan für einen Hochschulkurs. Aber in welchem Ort? Eine kleine Kommission von fünf Leuten einigt sich zuletzt auf Alpbach. Sofort ziehen Muth und Molden los, denn nach vier Jahren unter dem Kriegsjoch sind die Männer kaum zu bremsen. Zu Fuß, ein Anstieg von rund 330 Höhenmeter ab der Bahnstation Brixlegg im Unterinntal über Reith im Alpbachtal bis zum Dorf Alpbach. Molden ist sofort begeistert, Bürgermeister und Hotelier Alfons Moser sichtlich ebenfalls. Prompt wird der Termin für den August vereinbart. Erneut eilt es, denn es ist bereits Juni. Vor der ohnehin schwierigen Nahrungsmittelbeschaffung sollte man schleunigst das Geld dafür aufbringen. Aber wo? Bei Dr. Karl Gruber, der ersten Landeshauptmann Tirols, er kommt ebenfalls aus dem Widerstand!Geld, meint der Landeshauptmann, das wäre nichts mehr wert, er wüsste ein besseres Zahlungsmittel. Er schreibt eine Anweisung an die Zigarettenfabrik in Schwaz in Tiroler Unterland für eine große Packung Zigaretten. Mit diesen Zigaretten gelingt tatsächlich der Tauschhandel für alle notwendigen Lebensmittel. Auch Dr. Karl Gruber gehört zu den Helfern in der Gründungszeit des Europäischen Forums. Ebenso zeigt sich wieder das Verständnis des Oberbefehlshabers der französischen Besatzungsmacht, General Émile Béthouart, für die großen und kleinen Belange des besiegten Landes. Die Idee der Hochschulwochen fand rasch die Unterstützung der französischen Besatzungsmacht. Béthouart sollte im Jahr 1947 an der Eröffnung der "Österreichischen Hochschulwochen" in Alpbach teilnehmen. 1945, mit 29 Jahren, bewirkt der Wissenschaftler Muth einen entscheidenden Beitrag, um nach dem Krieg Österreich mit der sogenannten freien Welt zu verbinden: über die Wissenschaft. Intensiv arbeitet er mit an diesen Veranstaltungen bis zum Jahr 1950.1950 zum außerordentlichen Professor ernannt, wirkt er auch als Vorstand des Innsbrucker Instituts für Klassische Philologie. Er hofft auf eine Professur in Innsbruck. Er kann sich nicht bewerben. Man wird berufen! Die Universität Fribourg in der Schweiz bietet ihm nach einem Aufenthalt als Gastprofessor im Sommersemester 1950 eine ordentliche Professur an, die Muth jedoch ablehnt. Denn kaum ist er dort, wird Robert Muth in Innsbruck zum ordentlichen Professor ernannt. Mit Hilfe der Universität bekommt er eine "zuweisungsfähige Wohnung". Eine seiner liebsten Studentinnen, Hildegard Stadelmann, heiratet der Professor im Mai 1951. In den folgenden Jahrzehnten engagiert er sich umfangreich in der Verwaltung der Universität. Sein Einfluss an der Fakultät als Professor ist groß. 1960 wird er Dekan, und anschließend Prodekan, Stellvertreter des Dekans, im Jahr 1968 wird er zum zweiten Mal Dekan, 1969 wieder Prodekan, im akademischen Jahr 1970/1971 Prorektor der Universität Innsbruck.1986, er ist "70 Jahre plus neun Monate" alt, beginnt der vorläufige Ruhestand. Noch zwei Jahre ist er aktiv als Vorsitzender des Professorenverbandes in Wien. "Na, und dann habe ich angefangen, intensiv Bücher zu schreiben. Was mir vorher aus Zeitgründen nicht gut gelungen ist." Zwei Hauptwerke erscheinen erst nach der Pensionierung. "Und die Manuskripte hat meine liebe Frau Hildegard angefertigt." Die ehemaligen Schüler sind meist schon pensioniert, viele besuchen ihn oder schreiben ihm. "Ich muss dem Herrgott danken, der mich durchs ganze Leben geführt hat, einen schönen Beruf gegeben hat. Ich bin gut in Erinnerung, und ich habe ein glückliches Familienleben geführt. Das ist alles, was ich aus meinem Leben so aus dem Handgelenk zu sagen habe." Im Epilog stehen die besinnlichen Schlussworte eines Gelehrten und Gläubigen, verstorben am 25. November 2008.Anju